Die Entwicklungen des deutschen Produktionsmarkts im ersten Halbjahr enttäuschten und sorgten für Ernüchterung des bisher geglaubten Mantra des ewigen Wachstums. Die Ursachen in Deutschland für diese Entwicklung sind vielfältig und lassen sich auf die Korrelation verschiedener Marktereignisse zurückführen. Zwar wurde der Autorenstreik in den USA hierzulande bisher kaum wahrgenommen, allerdings könnte sich die Lage auch für Deutschland zuspitzen, sollten sich weitere Gewerke anschließen. So wird in dieser Woche die Entscheidung der Schauspieler*innen-Vertretung erwartet - die die Probleme der deutschen Produktionslandschaft kurzfristig verschärfen könnte.
Die Tickermeldungen der Tradenews sorgen derzeit für Unbehagen: Fast täglich erreichen uns Meldungen von Unternehmen in Schwierigkeiten oder mit den Plänen substanzieller, strategischer Umstrukturierungen. Darunter finden sich neben erfolgreichen Kreativ-Boutiquen auch die Pfeiler der Branche. Sky Deutschland hat, für viele überraschend, im Trubel des Filmfest München den Abschied von fiktionalen Eigenproduktionen verkündet. Verschiedene Produktionsunternehmen reagieren auf den sich verändernden Markt mit Anpassungen in den Fixkostenstrukturen. Die Informationsfetzen über amerikanische Streiks ergänzen ein Bild, das erst auf den zweiten Blick positive Aspekte in Szene setzt.
Während der Pandemie fanden signifikante Veränderungen des Nutzerverhaltens, aber auch der Programmierung, statt. Das umfassende und flexible Programmangebot der Streamer und inzwischen auch der Sender-Mediatheken reduziert die Attraktivität der amerikanischen Prime-Time-Fiction im linearen Fernsehen. Große Sport- und Veranstaltungshighlights wurden verschoben oder abgesagt. Der Bedarf an lokalen Eigenproduktionen stieg und überkompensierte das zwangspausierte Kino. Große Entertainment-Highlights der Post-Corona-Zeit prägten profilierende Programm-Inhalte aller Sender, während in den Mediatheken vermehrt serielle Fiktion den Zuschauer locken sollten. All das führte zu einer umfangreichen Auslastung der hiesigen Produktionskapazitäten, trotz veralteter Förderbedingungen und schwachen Kino-Einspielergebnissen. Jetzt hat sich der Wind gedreht.
Obwohl die amerikanischen Majorstudios das Kino als Umsatzmaschine neu entdeckt haben, steigt gleichzeitig der Anspruch an Local-Content. Im ersten Halbjahr spürten bereits fiktionale Produktionen einen schärferen Wind. Nun justiert auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein Profil unter dem Druck aktueller Kostenentwicklungen nach. In der Folge werden etablierte Formate nicht mehr beauftragt. Auch bei den Streamern äußert sich der wachsende Konkurrenzdruck in wählerischer Auftragsvergabe. Das Kino ist zwar wieder zurück, bereitet aber in erster Linie den hunderte Millionen-Dollar-budgetierten Tentpole-Projekten die große Bühne. Für die Produktionswirtschaft in Deutschland bieten sich Gelegenheiten in der Nische mit smarter Förder-Strukturierung. Die breite Masse profitiert davon derzeit kaum. Die Produktionen und auch die Drehtage sanken folglich merklich im ersten Halbjahr ab.
Das von vielen Beteiligten angekündigte neue FFG, also die künftigen Rahmenbedingungen für Förderungen, um deutsche Produktionen auch wieder in Deutschland zu drehen und internationale Großprojekte wettbewerbsfähig anzuziehen, wird sich wohl substanziell verbessern. Eine kurzfristige Hoffnung oder eine Struktur mit einem Vorgriff auf Mittel wäre geeignet, um aktuelle Auftragsproduktions-Dellen zu glätten. Gerade Kinoproduktionen profitieren von Förderungen und das deutsche Kino hat durch die Oscars durchaus Rückenwind. Das bereits erwähnte Bekenntnis der Majorstudios zur großen Leinwand (derzeit allerdings eher für deren Großprojekte) sorgt für Aufmerksamkeit und positives Image, was künftig aber allen Kinoprojekten und damit auch Kinos, Verleihern und Produktionsunternehmen zugutekommen könnte.
Je stärker die Medienvielfalt ausgeprägt ist, desto geringer ist die Abhängigkeit von einer Gattung. Wir sind auf einem guten Weg dorthin. In anderen Ländern wurde vielfach bewiesen, dass die Kreativwirtschaft auch in der Lage ist, Konjunkturflauten anderer Industriezweige der Volkswirtschaft auszugleichen. Mit diesem Selbstbewusstsein sollten wir gestärkt in die nächsten, sicherlich nicht einfachen, Monate gehen – mit einer Art Bergfest-Mentalität. Gerade eben ist es noch wirklich herausfordernd, aber jetzt wird es immer besser.
Dein Ensider:Team
(Bild: IFP Entertainment GmbH)